Religionsfreiheit für Kiffer – NNP 6.12.2005

Veröffentlicht am 17. Dezember 2005
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Limburg. Der Mann auf der Anklagebank des Limburger Amtsgerichts ist in einer bestimmten Szene kein Unbekannter. Er betreibt eine Internetseite, auf der er für die Legalisierung von Haschisch wirbt. Seit Jahren sammelt er dafür Unterschriften, nennt dies eine Aktion «von Kiffern für Kiffer» und spricht von seiner «Kifferehre». Sein Anwalt nennt ihn einen «Aktivisten». Weniger sein offensiver Einsatz für die Freigabe von Cannabis als der Besitz einer kleinen Menge Marihuana hat dem 46-jährigen Limburger jetzt eine Verurteilung zu einer Geldstrafe eingebracht.

Es ist gerade ein Jahr her, da war er mit seinem auffälligen Auto – bemalt und beschriftet mit einem Cannabisblatt und der Internetadresse www.zeig-dich.de – auf der A 3 unterwegs. Ein Autofahrer meldete der Polizei, der Mann in diesem Auto fahre in Schlangenlinien und habe grundlos gebremst. Er wurde angehalten und kontrolliert, und dabei fand die Polizei im Handschuhfach eine Tüte mit 3,4 Gramm Marihuana. Das Landeskriminalamt ermittelte in zwei verschiedenen Untersuchungen darin 0,8 Gramm Blütenreste von Cannabispflanzen und einen THC-Gehalt von fünf bis 20 Prozent, also eine äußerst geringe Menge Drogen. Die Untersuchung seines Blutes ergab keinen aktuellen Drogenkonsum.

Er habe vielleicht mal auf ein Kundenblatt geschaut und Probebremsungen wegen des Straßenzustandes gemacht, im Übrigen seien die Angaben des anderen Autofahrers stark übertrieben, verteidigte sich der 46-Jährige. Er war bisher nicht vorbestraft und führt, wie er berichtete, ein geregeltes Leben als EDV-Spezialist und allein erziehender Vater.

Der Richter hörte aufmerksam zu, als er aus dem Suchtbericht der Bundesregierung zitierte, von neun Millionen Cannabiskonsumenten in der Bundesrepublik sprach und Alkohol die wesentlich gefährlichere Droge nannte. Er beklagte, dass der Öffentlichkeit für die gerichtliche Verfolgung von Kleinkonsumenten wie ihm immense Kosten und ein unverhältnismäßiger gesellschaftlicher Schaden entstehe. Er selbst sei in 27 Jahren verantwortungsbewussten Umgangs mit Haschisch immer unauffällig geblieben. Die «Einstiegshypothese» sei längst widerlegt, eigentliche Einstiegsdrogen seien Alkohol und Nikotin.

Erst in diesem Sommer sei sein Antrag auf die Genehmigung zum Anbau von 20 weiblichen Cannabispflanzen vom Bundesgesundheitsamt gebührenpflichtig abgelehnt worden, beklagte er. Er konsumiere, so der Angeklagte, Cannabis aus weltanschaulichen Gründen und auch als Meditationshilfe und verlange – weil dies genauso einzuschätzen sei wie eine Religion – für sich «Religionsfreiheit».

Der Verteidiger argumentierte, dass die ungleiche Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten durch deutsche Gerichte laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 verfassungswidrig sei, «ein Versäumnis der politisch Verantwortlichen». Bisher sei es nicht gelungen, die Vorgaben des BVG umzusetzen. «Und warum? Weil es für die Kiffer keine Lobby gibt.» Er persönlich empfinde das als einen «Affront gegen das Recht an sich», sagte der Anwalt und empfahl dem Richter einen Freispruch. «Wenn ich Richter wäre, würde ich sagen: Mit mir nicht, ich spreche die Leute frei.»

Diese Empfehlung nützte allerdings nichts. Der 46-jährige Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt und muss außerdem die Kosten des Verfahrens tragen. In seiner Urteilsbegründung qualifizierte der Richter die Ausführungen zur Legalisierung von Cannabis als «sicher bedenkenswert». «Man kann dafür sein, man kann dagegen sein», sagte er. Aber das Gericht sei an Recht und Gesetz gebunden. (eeg)

Quelle: Link zur Onlineausgabe der Nassauischen Neuen Presse

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