18. Begriff der nicht geringen Menge bei Methamphetamin
BtMG § 29a I Nr. 2
Bei dem in Crystal-Speed enthaltenen Wirkstoff Methamphetamin beginnt die
nicht geringe Menge i. S. von § 29 a I Nr.2 BtMG bei 30 Gramm Methamphetamin-Base
(im Anschluss an BGH, NStZ 2001, 381).
BGH, Beschl. vom 25.7.2001 - 5 StR 183/01 (LG Bautzen)
Zum Sachverhalt: Das LG hat den Angekl. R wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision führte teilweise
zur Aufhebung und Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des LG;
im Übrigen blieb sie erfolglos.
Aus den Gründen: I. Die Verurteilung des Angekl. wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a I Nr. 2 BtMG)
hält im Fall II 2 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung
nicht stand, weil der Grenzwert zur "nicht geringen Menge" noch nicht erreicht
ist.
Nach den Feststellungen des LG veräußerte der Angekl. R an den
Mitangekl. Z 49,6 Gramm Crystal-Speed, das einen Wirkstoffgehalt von 22,3
Gramm Methamphetamin-Hydrochlorid aufwies, was mindestens 17,98 Gramm Methamphetamin-Base
entspricht.
Der BGH hat sich zu einem Grenzwert i. S. des § 29a I Nr. 2 BtMG bei
Methamphetamin bislang noch nicht geäußert. Er hat allerdings
im Hinblick auf den bei Ecstasy-Tabletten enthaltenen Wirkstoff 3,4-Methylendioxy-N-Ethylamphetamin
(MDE) entschieden, dass der dort relevante Grenzwert 30 Gramm MDE-Base beträgt,
was 35 Gramm MDE-Hydrochlorid entspricht (BGHSt 42, 255 = NJW 1997, 810 =
NStZ 1997, 132). Diesen Wert hat er auch für die Amphetaminderivate
MDA und MDMA übernommen (BGH, NStZ 2001, 381). Maßgebliche Erwägung
dabei war, dass wegen der Gleichwertigkeit der Wirkungsweise es im Interesse
der praktischen Handhabbarkeit sinnvoll erscheine, die Schwelle zur nicht
geringen Menge nach § 29 a I Nr. 2 BtMG einheitlich zu bestimmen, zumal
da diese Wirkstoffe häufig auch in Kombination vorkommen. Dieser Grundgedanke
muss aber darüber hinaus auch für andere verwandte Wirkstoffe gelten.
Speziell bei den synthetisch hergestellten Drogen kann bereits eine geringe
Veränderung der chemischen Struktur ähnliche, aber dennoch formal
jeweils verschiedene Rauschmittel entstehen lassen. Dies verdeutlicht die
praktische Notwendigkeit, übergreifend für Amphetaminderivate allgemeine
Anwendungsregelungen im Hinblick auf die Regelung des § 29 a I Nr. 2
BtMG zu finden.
Da der bei dem hier vorliegenden Rauschmittel Crystal-Speed vorhandene Wirkstoff
Methamphetamin in seiner chemischen Struktur den Wirkstoffen MDA, MDMA und
MDE ähnlich ist (vgl. Körner, BtMG, 5. Aufl., C 1 Rdnr. 398), trägt
der Senat keine Bedenken, den dort maßgeblichen Grenzwert auch auf
Methamphetamin zu übertragen. Also beginnt die nicht geringe Menge bei
30 Gramm Methamphetamin-Base; dies entspricht 35 Gramm Methamphetamin-Hydrochlorid.
Die Feststellungen des LG zu den spezifischen Eigenschaften des hier vorliegenden
Rauschmittels Crystal-Speed sind deshalb für die Bestimmung des nach
§ 29 a I Nr. 2 BtMG erforderlichen Grenzwerts ohne Bedeutung. Mithin
bedarf es auch keiner Entscheidung über die Verfahrensrügen des
Bf., die sich gegen diese Feststellungen richten.
II. Die unzutreffende Bestimmung des Grenzwerts nach § 29 a I Nr. 2
BtMG führt dazu, dass der Schuldspruch hinsichtlich des Falls II 2 der
Urteilsgründe dahingehend zu ändern ist, dass der Angekl. R auch
insoweit nur des (einfachen) Handeltreibens gem. § 29 I Nr. 1 BtMG schuldig
ist. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die umfassende Aufhebung des
Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen nach sich, weil der
Senat nicht auszuschließen vermag, dass die fehlerhafte Bestimmung
des Grenzwerts nach § 29 a I Nr. 2 BtMG sich insgesamt auf die Strafzumessung
ausgewirkt hat.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch
die Annahme eines gewerbsmäßigen Handels nach § 29 III Nr.
1 BtMG im Hinblick auf die hier getätigten Umsätze einer eingehenderen
Begründung bedürfte (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1 - gewerbsmäßig
5).
III. Die Änderung des Schuldspruchs ist gem. §
357 StPO auch auf den Angekl. Z zu erstrecken. Eine Aufhebung der Einzelstrafe
hinsichtlich des Falls II 2 der Urteilsgründe kommt bei dem Angekl.
Z jedoch nicht in Betracht. Da bei diesem Angekl. die Voraussetzungen der
Gewerbsmäßigkeit schon im Hinblick auf seine weiteren (wesentlich
gewichtigeren) Taten unzweifelhaft vorlagen, gegen ihn aber (wegen der Anwendung
des § 31 BtMG) bezüglich des Falls II 2 der Urteilsgründe
eine deutlich niedrigere Strafe verhängt wurde, die bei ihm überdies
nicht die Einsatzstrafe ist, schließt der Senat aus, dass es in einer
neuen Hauptverhandlung insoweit zur Festsetzung einer niedrigeren Einzelstrafe
kommen könnte (vgl. BGHR StPO § 357 - Erstreckung 3).
Anm. d. Schriftltg.: Vgl. zur nicht geringen Menge BGH, NStZ 1999, 467; OLG
Düsseldorf NStZ 1999, 88; BayObLG, StV 1998, 590 = NStZ-RR 1999, 59
L, und BGH, StV 1997, 406.-