Revision gegen Verurteilung in minderschwerem Cannabis-Fall – Prozessentwicklung wird online dokumentiert

Veröffentlicht am 13. Dezember 2005
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Der Vorsitzende des Schöffengerichtes am AG Plauen vertritt seit einiger Zeit die Auffassung, dass die Anwendung des minder schweren Falles aus § 29 a Abs. 2 BtMG für Cannabisprodukte im Hinblick auf deren mindere Gefährlichkeit nicht -mehr- in Frage komme.

Er habe an einer Fortbildung teilgenommen, bei der u.a. mithilfe der Dokumentation einer Langzeitstudie an Affen verdeutlicht worden sei, dass eine Unterscheidung der Drogen in “harte” und “weiche” Drogen nicht angezeigt sei. Es sei eine bleibende Hirnveränderung an den Versuchstieren noch nach Jahren festgestellt worden.

Das habe das Bundesverfassungsgericht in dessen Leitentscheidung aus dem Jahr 1994 noch nicht berücksichtigen können. Aus diesem Grunde lehne er nun die Anwendung des geringeren Strafrahmens auf die Fälle ab, in denen er früher durchaus wegen der Art der Droge -Cannabis- einen solchen angenommen habe.

Der Verteidiger, RA Herbert Posner, ist hingegen der Auffassung, dass aus verschiedenen Gründen auch weiterhin eine Unterscheidung der Drogen nach ihrer Art vorzunehmen ist und damit auch, wenn nicht besondere Erschwernisgründe (kiloweiser Handel, Einfuhr großer Mengen etc.) hinzutreten, der geringere Strafrahmen des minderschweren Falles heranzuziehen ist.

Nachdem diese unterschiedliche Rechtsauffassung im Gerichtssaal bislang nicht zu klären war, wurde durch den Verteidiger nun ein Fall zur revisionsrechtlichen Klärung der Frage ausgewählt und statt “nur” Berufung zum LG Zwickau einzulegen, direkt das OLG Dresden mit der Revision zur Klärung dieser Rechtsfrage angerufen. Der Verteidiger dokumentiert den Fall und die weitere Entwicklung zugleich auf der Kanzleihomepage für jedermann abrufbar im Internet unter www.Rechtsanwaltskanzlei-Plauen.de.

Hierzu erklärt der Verteidiger RA Herbert Posner ( Reichsstr.13, 08523 Plauen, Fon: 03741-221782):

„Es mag aus Sicht eines Richters erstrebenswert sein, von einer drogenfreien Stadt zu träumen, doch bis zum Erreichen dieses Ideals halte ich es für notwendig, dass ein bundesweit geltendes Gesetz auch in Plauen so angewandt wird, wie andernorts in dieser Republik. Eine zusätzliche Strafe dafür, dass man im Vogtland (Sachsen) lebt, darf es nicht geben.
Das dem Verfahren zugrunde liegende Abweichen von höchstrichterlicher Rechtsprechung ist zwangsläufig für jeden relevant, nicht nur für Hanffreunde, da es auf nahezu jeden Rechtsbereich übertragbar ist. Was, um nur ein Beispiel zu nennen, wenn der nächste Richter meinte, dass ihm der Bussgeldkatalog für Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht mehr streng genug ist und härter durchgegriffen werden müsse, indem man manche OWis in den Bereich des Strafrechts verschiebt, obwohl die obergerichtliche Rechtsprechung die Grenze enger zieht?

Wenn die (Amts-)Gerichte anfangen, eigenes Recht unter bewusster Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung zu “machen”, übersehen sie dabei, dass sie Recht beliebig werden lassen und mit der Freiheit eines Menschen, einem unserer höchsten Rechtsgüter, zu spielen anfangen. Der gesetzlich vorgesehene Weg für begründetes Abweichen von höchstrichterlicher Rechtsprechung durch den Amtsrichter wäre die Vorlage eines solchen Falles zur Entscheidung der Rechtsfrage an das betreffende Obergericht gewesen, in diesem Fall an das Bundesverfassungsgericht.

Wer sich als Richter aber den dafür erforderlichen Begründungsaufwand erspart und dennoch hart verurteilt, tritt bewusst oder unbewusst nur auf denjenigen herum, die ohnehin oft schon am Boden liegen.

Ich habe einige Zeit benötigt, einen Fall zu finden, in dem es im Ergebnis für den Mandanten die geringst mögliche Auswirkung hat, ob ich eine Instanz weniger (die Berufung wurde “übersprungen”, darum auch die Bezeichnung Sprungrevision) für ihn in Anspruch nehme oder nicht und in dem der zugrunde liegende Sachverhalt schon durch das Amtsgericht völlig zutreffend und ausreichend ermittelt wurde, denn in der Revision wird der festgestellte Sachverhalt nicht erneut erforscht. Um den Unterschied, um den hier gerungen wird, zu verdeutlichen: der normale Strafrahmen droht Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bis zu 15 Jahren an; der Strafrahmen des minderschweren Falles beginnt bei drei Monaten und endet bei fünf Jahren.“

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