Veranstaltungsbericht “Verlogene Argumentation”: Cannabis-Werte im Blut auch ohne akute Berauschung – vom 8.12.2006

Veröffentlicht am 18. Dezember 2006
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Lauterbach. Mit einer Diskussions-Veranstaltung zum Thema „Cannabis im Straßenverkehr“ mit den Referenten Dr. Leo Teuter, Rechtsanwalt aus Frankfurt, und Jo Biermanski vom Grüne Hilfe-Netzwerk e.V. leistete Die Linke.WASG einen Beitrag zur inhaltlichen Aufklärung eines komplizierten und umstrittenen Sachverhalts. Zur Einleitung bedauerte Günter Bertholdt (WASG- KV Fulda), dass B’90/ Die Grünen, CDU, FDP und SPD das Gesprächsangebot nicht angenommen hätten. Jo Biermanski wertete dies als weiteren Beleg für Ignoranz und Unkenntnis der etablierten Politiker beim Thema „Cannabis im Straßenverkehr“.

Rechtsanwalt Dr. Leo Teuter erläuterte zu Beginn seiner ausführlichen Informationen zunächst, dass er, eigentlich Strafrechts-Verteidiger sei, durch die gängige Gesetzes- und Verwaltungspraxis aber praktisch gezwungen sei, sich auch in Ordnungswidrigkeits- und Verwaltungsverfahren zu „Cannabis im Straßenverkehr“ zu engagieren. Unter dem Deckmantel der „öffentlichen Sicherheit“ würden viele seiner Cannabis-Mandanten ungerechterweise mit rechtlicher Verfolgung konfrontiert: „Er kenne keinen Bereich, in dem von Gesetzgebung und Verwaltung verlogener argumentiert werde als beim Thema Cannabis.“

Sowohl Jo Biermanski als auch Dr. Leo Teuter erläuterten, dass bei den heutigen Meßmethoden im Blut der Cannabis-Wert THC nachgewiesen werde, auch wenn der Rauschzustand bereits beendet sei: Während sich Alkohol im Vergleich linear schnell abbaue, baue sich THC in Halbwertzeiten ab, was dazu führe, dass auch 15-20 Stdn. nach dem letzten Konsum noch Werte nachgewiesen werden könnten, die ohne Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit zu haben, zu Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren sowie zu führerscheinrechtlichen Anordnungen bis zum Entzug der Fahrerlaubnis führen können.

Während die Gesetzgebung wider besseres Wissens nicht reagiere, habe das Bundesverfassungsgericht bereits Ende 2004 entschieden, dass zumindest bis 1ng THC/ml Blut keinerlei Gefährdung ausgehe, ließ aber offen, wann denn nun von einer Gefährdung auszugehen sei.

Aus juristischer Sicht vertrat Dr. Leo Teuter die Ansicht, dass 6 Stunden nach dem Konsum keinerlei Ausfallerscheinungen erkennbar seien, während Jo Biermanski Prof. Berghaus (Uni Köln) zitierte, der davon ausgeht, dass die Rauschwirkung ca. 4 Stunden nach dem Rauchen abgeklungen sei. Beide Referenten erwähnten hierzu den Verkehrssicherheits-Kongress im August 2004 in Glasgow,bei dem 10 Experten aus 6 Ländern vorgeschlagen haben, einen Grenzwert für THC im Blutserum bei 5-10ng anzusiedeln, der in etwa einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille entspreche.

Eine weitere fragwürdige Rechtspraxis sei die Anordnung von führerscheinrechtlichen Maßnahmen aufgrund des THC-Abbauproduktes THC-COOH, das bei entsprechenden Blutproben ebenfalls gemessen werde. Hier würden Werte als regelmäßiger Konsum gewertet, die bereits bei ein- bis zweimaligem wöchentlichem Konsum erreicht werden könnten. Dies wiederum könne zu Anordnungen durch die Führerscheinstelle führen, auch wenn der akute THC-Wert unter 1ng gelegen habe. Hierzu äußerte Jo Biermanski: „Wer Abends 2 Bier trinkt, kann morgens wieder problemlos Autofahren, dies muss bei einem Joint zum Feierabend ebenfalls möglich sein.“
Bei der derzeitigen Gesetzeslage erläuterte Dr. Leo Teuter müsse er raten, mindestens 12 Stunden nach dem letzten Konsum kein Auto zu fahren sowie im Falle einer Verkehrskontrolle, keinerlei Angaben zum eigenen Konsum zu machen, da alles Gesagte gegen den Betroffenen verwertet werde. Jo Biermanski ergänzte, dass es empfehlenswert sei, sich im Falle einer „Auffälligkeit wegen Cannabis im Straßenverkehr“ von einem erfahrenen Verwaltungsrecht-Anwalt beraten und gegebenenfalls vertreten zu lassen. So erhalte man beispielsweise nur über einen Anwalt die notwendige vollständige Akteneinsicht, um eventuelle Rechtsmittel überlegen zu können. Hierzu rate er Hanf-Freunden dringend zum Abschluss einer Verkehrsrechtschutz-Versicherung.

Bezüglich der sogenannten Schnelltests ( Schweiß- oder Urintest) durch die Polizei erläuterte Jo Biermanski, dass diese von Betroffenen verweigert werden könnten und es ratsam sei, zumindest den Urintest zu verweigern. Hier sei von einer Nachweisdauer von ca. 6 Wochen auszugehen. Die Nachweisdauer beim Schweißtest beliefe sich auf ca. 12- 15 Stdn., allerdings sei jede dritte Schweiß-Analyse falsch. Hier erläuterte Dr. Leo Teuter, dass aufgrund der hohen Fehlerquote Betroffene durchaus überlegen könnten, zur Entlastung einem Schweißtest per Drugwipe zuzustimmen. Die Anordnung einer Blutprobe können Betroffene nicht verweigern, allerdings müsse die Polizei hierzu entsprechende Verdachtsmomente aufführen können.

Desweiteren berichtete Dr. Leo Teuter von einer Testreihe, bei der definierte Proben von 0,8 ng THC/ml Blut bei verschiedenen Instituten überprüft wurden. Es wurden unterschiedliche Ergebnisse von 0,3- 2 ng ermittelt. Er sehe bezüglich Bußgeldbescheiden wegen „Cannabis im Straßenverkehr“ vor allem bei Werten bis 2,4 ng gute Chancen für die Einlegung von Rechtsmitteln.

Abschließend erläuterte Günther Berthold (WASG), dass die BAG Drogenpolitik der Linkspartei (www.linke-drogenpolitik.de) die Broschüre „Cannabis und Straßenverkehr“ mit wichtigen Informationen veröffentlicht habe und sich die Fraktion „Die Linke im Bundestag“ derzeit in die Thematik einarbeite, um einen Antrag zur Gesetzesänderung auszuarbeiten.

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