Bigbrotherstaat Baden-Württemberg, der Führerschein und die Gelbe Karte

Veröffentlicht am 4. Dezember 2012
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In Baden-Württemberg gibt es das Modell der „Gelben Karte“.  Das ganze ist ein von der Politik initiiertes Konzept um junge Gewalttäter auf die rechte Bahn zu bringen und zu warnen, dass es beim nächsten Vergehen Konsequenzen gibt. Diese erhalten von der Führerscheinstelle eine Verwarnung im Sinne einer gelbe Karte. Die Begründung ist, dass aufgrund der Aggressivität die Fahreignung in Zweifel zu ziehen sei (da besagtes Verhalten auch im Straßenverkehr anzunehmen ist) und mit dem nächsten Vergehen ein Entzug der Fahrerlaubnis drohe. Dieser Ansatz zeigte kriminologisch große Erfolge und ist auch generell begrüßenswert.

Das Konzept wurde ob des Erfolgs schnell erweitert: Jugendliche die durch „Alkohol- oder Drogenexzesse“ auffallen, bekamen nun auch die Gelbe Karte, selbst wenn es keinen Zusammenhang zum Straßenverkehr gibt. Link Auch das mag man noch begrüßen, denn die Betroffenen erhalten, zumindest scheinbar, nur einen Warnschuss. Allerdings muss man sich Fragen, wie, wo und wie lange diese Vergehen gespeichert werden.

Die Praxis sieht so aus: Mich erreichte vor kurzem ein Anruf, von jemanden der so eine Gelbe Karte erhalten hatte. Der Vorwurf der Führerscheinstelle lautete: „Sie wurden gesehen, wie sie einen Joint konsumiert haben, daher usw. usf.“. Um es nochmal festzuhalten: Der Vorwurf bestand tatsächlich darin, („angeblich“) gesehen worden zu sein. Wohlgemerkt nicht durch einen Polizei-  oder einen sonstigen Beamten.

Zum Sachverhalt: Besagter Anrufer befand sich auf ein Festivität in einer Gruppe wo ein Joint kreiste. Securitykräfte hatten das beobachtet, sind eingeschritten, haben Ausweisnummern aufgeschrieben und die Gruppe von der Festivität verwiesen.

Mit der Polizei hatte der Anrufer danach KEINEN Kontakt.

Wie kam es also zu dieser Meldung? Man kann nur mutmaßen was danach geschah:

a) Die tumben Sicherheitskräfte haben den Sachverhalt der Führerscheinstelle gemeldet. Das ist mehr als unwahrscheinlich.

b) Später war Polizei vor Ort, sie bekamen die Ausweisnummern und meldeten diese der Führerscheinstelle – ohne Vorladung oder sonstige Überprüfung des Sachverhalts. Die Aussage von irgendwelchen „Sicherheitskräften“ reichte wohl aus.

Das heißt, es fand keine rechtsstaatliche Prüfung statt. Von einer Zivilperson bei einer anrüchigen Handlung  (Konsum ist legal und keinen Straftat) beobachtet und gemeldet zu werden, reicht in BW anscheinend aus, damit der Staat sanktionierend und drohend tätigend werden kann.

So etwas kann und darf  keine rechtliche Relevanz besitzen! Solch ein Vorwurf erinnert an Zeiten die man gar nicht erwähnen mag. Ein behördliches Schreiben, dass mit „Sie wurden gesehen“ beginnt, könnte auch mit „Man hört oder man erzählt sich im Dorf, dass Sie ..“ anfangen.

Nun könnte man argumentieren, dass ja nichts passiert sei, lediglich eine (Ver-)warnung ist ergangen, die lediglich nur den Betroffenen zur Besserung motivieren soll.

Doch dort ist sehr wohl etwas passiert! Eine solche Auffälligkeit, die Zweifel an der Eignung des Führerscheins bedingt, ist in den Akten der Führerscheinstelle 10 Jahre gespeichert (unter gewissen Umständen sogar länger). In Worten: ZEHN Jahre! Bis 2022!

Zum Vergleich: Sexualstraftaten müssen  nach 10 Jahren aus dem polizeilichen Führungszeugnis gelöscht werden!

Un das alles wegen einer nicht belegbaren Anschuldigung durch Dritte!

Der Fall könnte eine erschreckende Ausnahme sein. Aber grundsätzlich ändert sich nichts an der Problematik der Gelben Karte: Erwachsene Bürger (ü18) sollen damit eingeschüchtert und erzogen werden. Bloß nicht auffallen!

Denkbar wäre aber auch folgender Fall: Ein 18 Jähriger besucht seine erste  Abi- oder Jahrgangsparty, betrinkt oder bekifft sich zum erstenmal  und übernimmt sich dabei, wie das wohl jeder Jugendliche einmal tut – und torkelt friedlich nach Hause. Auf dem Weg begegnet er Polizisten die sofort Meldung an die Führerscheinstelle machen. Konsequenz: Der Betroffene hat nun 10 Jahre einen Eintrag in der Akte! Nazimörderakten werden hingegen aus Datenschutzgründern früher geshreddert. Die von Sexualstraftätern nach der gleichen Zeit.

Wir nominieren daher das Land Baden-Württemberg für den diesjährigen Bigbrother-Award.

 

9 Responses to “Bigbrotherstaat Baden-Württemberg, der Führerschein und die Gelbe Karte”

  1. Bubbele Says:

    Hallo ,
    Kleine Vorgeschichte :Vor mehreren Jahren
    wurde ich bei einer Polizeikontrolle
    Positiv auf thc getestet . Darauf hin
    Folgte eine einjährige Abzinenz .
    Nach der bestandenen MPU erfolgte
    die langersehnte wiederaushändigung
    des Führerscheines .

    Nun wurden bei einer Personenkontrolle
    Nahrungsergenzungsmittel sichergestellt ,
    Wo die Beamten Amphetamine vermuten .
    Hierbei handelt es sich um Produkte ,
    die legal im Laden zu erwerben sind .

    Wegen der Menge und dem Verdacht dass
    Ich damit Handel treiben wollte , müsste ich auf
    der Dienststelle eine erkennungsdienstliche-
    Behandlung über mich ergehen lassen .

    Den urintest verweigerte ich aber aus Doofheit ,
    mit den Worten : weil ich gekifft habe .

    Frage : kann oder besser wird es Auswirkungen auf meinen
    Führerschein Haben , obwohl ich kein Fahrzeug geführt habe
    Und nur passiv am Verkehr teilgenommen
    Habe ?

    Vielen Dank Jungs .

  2. gruenehilfebw Says:

    @bubble:

    Ja es kann Auswirkungen haben. Überprüfen (FäG) dürfen sie alle mal. Nach meinem aktuellen Verständnis ist jemand der eine MPU bestanden hat, jemandem gleichzustellen, der bisher nie aufgefallen ist.
    Das muss die Führerscheinstelle aber nicht so sehen, immerhin hast du dort angegeben, dass du nie wieder konsumieren wirst.

    Bezühglich der EK stehen dir Rechtsmittel offen Speicherung derDaten löschen zu lassen – da müsstest du gute Chancen haben, wenn es sich um ein legales Mittel gehandelt hat.

  3. ruko Says:

    Hi habe ebenfalls in BaWü die Gelbe Karte bekommen für ein ermittlungsverfahren, welches eingestellt wurde da keine rechtskräftigen Beweise vorlagen. Wie kann es sein das sich die Führerscheinstelle, welche nichts über mich weiss ausser Handy Chat verläufe mir eine Gelbe Karte aussprechen kann und meine Daten 10 Jahre speichert. Ich werde ja ab jetzt immer bei jeder Kontrolle auf Links gedreht obwohl es nichtmal zu einer Anzeige kam und ich bin auch noch nie negativ im Strassenverkehr auffällig gewesen. Ebenfalls wurde bei der Vorladung die Aussage verweigert weshalb sich mir nicht erschliesst woher sich die Führerscheinstelle dieses recht nimmt. .

    Lg und vielen Dank

  4. ruko Says:

    Kann man da nichts dran drehen und einen Einspruch oder dergleichen einreichen wisst ihr da mehr ?

  5. gruenehilfebw Says:

    @ruko: Wie das sein kann, steht ja im Artikel.
    Einspruch kann man dagegen nicht erheben – soweit ich weiß. Man sicherlich versuchen das löschen zu lassen, aber ich sehe da keine großen Chancen.

  6. Motte Says:

    Hallo,
    ich nochmal. Hatte schon mal gepostet, allerdings in Baden- Würtenberg, sorry.
    Jedenfalls die Geschichte wird immer schlimmer.
    Scott’s (mein Mann) Führerschein ist weg. Lebenslang, weil er laut Zulassungsstelle psychisch …bla bla… ihr wisst schon, ungeeignet ist, am Straßenverkehr teilzunehmen.
    Seine Werte waren 5,7 ng THC und 27 ng Karbonsäure& A- Vergehen. Ja nix 4 Wochen und 2 Punkte. s.o. Weil, der gute Junge tägliches Kiffen eingeräumt hat und auch gleich den Ordnungskräften mitgeteilt hat, dass er immer mit mir raucht. (…) Mich haben sie daraufhin letzten Sonntag erwischt, ich musste fahren, weil er nicht wollte, konnte wie auch immer. Meine Werte werden deutlich höher sein. Da er mich damals verpfiffen hat, komme ich mit dem Sonntag incl. auf 2 Tage. Damit bin ich „schwerstabhängig“ und den Rest kenne ich ja.
    Wir waren heute beim Anwalt, der hat mir auch keine großen Hoffnungen gemacht.
    Wir wohnen auf dem Land, eigenes Haus, er ist Alleinverdiener, Öffis gibbet hier nicht bzw. Die Anbindung ist so mies, das wir das Auto brauchen. Er arbeitet 3 Schicht. Dazu kommt, dass wir beide geschieden sind und er auch noch unterhaltspflichtig ist (> 300.-), das Kind ist noch klein, wird mehr werden. Damit ist er VERPFLICHTET zu arbeiten, er kann sogar bis zu 60 Std. wöchentlich verdonnert werden, damit er selbiges löhnen kann. Wir wohnen im „Armenhaus Norddeutschland“ zwischen Cux und BHV richtig inne Wischen. Wenn ich jetzt in den nächsten 6 Wochen meinen Lappen auch los bin, muss er kündigen, weil ich ihn nicht mehr zur Arbeit bringen kann, womit wir dann in wieder in der Unterhaltsfalle stecken, denn er muss ja ALLES Mögliche tun, vom Gesetz, um das zu stemmen. Arbeiten in der näheren Umgebung entfällt, da es schlicht und ergreifend keine gibt. Ich bin sowieso arbeitslos, weil niemand eine fast 48-jährige Mechatronikerin einstellt, wenn es noch einen 25- jährigen Mann des selben Berufes gibt. Bedeutet: Wir werden ohne Führerschein ALLES verlieren!! Weil ich dann das Haus verkaufen muss, damit seine Tochter ein sorgenfreies Leben führen kann. (Soll sie ja auch, aber nicht, wenn ich dabei „drauf“ gehe…)
    Ist das WIRKLICH so gedacht, vom Gesetzgeber? Kiffen als solches ist NICHT illegal!!
    Der Führerschein ist seit heute ohne MPU, Verhandlung irgendwas weg und ich werde wohl in 4 Wochen folgen.
    Ich mein, nix für ungut, aber DAS finde ich in der Konsequenz etwas sehr hart!!! Weswegen zählen Worte mehr als Werte? Warum wird man nicht über seine Rechte aufgeklärt, von wegen alles was sie sagen wird gegen sie verwendet usw. haben sie weder bei ihm noch bei mir gemacht. Das einzige was mich hoffen lässt, ist seine amerikanische Staatsbürgerschaft, denn wir überlegen wirklich in die Staaten zu gehen, und dann müssen wir unsere Hunde abgeben, weil die das 1/2 Quarantäne nicht durchhalten würden.
    Weil wir hier so KEINE Chance mehr haben. Und das weil wir am WE kiffen!! Prima!!
    Ganz traurige Grüße Motte
    P.S.: Überflüssig zu erwähnen, dass wir weder vorbestraft sind, noch andere Drogen konsumieren. Wir trinken noch nicht mal. Aber ich verstehe natürlich, dass die Gesellschaft vor so kriminellen Subjekten wie uns geschützt werden muss.

  7. gruenehilfebw Says:

    @Motte: Ruf mich halt an. Ich kann jetzt nicht auf alles antworten. Das würde zu lange dauern.

  8. Hanffreund Says:

    Guten Tag,
    Ich wurde vor ein paar Tagen zu fuß mit Gras erwischt (0,7g) und mir ist klar, dass wenn die Polizei dies der Führerscheinstelle ge
    meldet hat, Ich einen Droge Test machen muss. Meine frage ist jetzt, ob ich das überprüfen kann also sprich bei der FSS oder der Polizei anrufen und mich erkundigen kann?

  9. gruenehilfebw Says:

    Führerscheinstelle NIE selbständig informieren, eventuell weckst Du damit schlafende Hunde!

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