Kommentar zum Thema Cannabis, THC und Führerschein und der neusten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Veröffentlicht am 4. Dezember 2014
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Worum geht es überhaupt?

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2014 –Az.: 3 C 3. 13- kann man hier nachlesen: http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2014&nr=64

Zusammengefasst bedeutet dieses, dass bei gelegentlichem Konsum von Cannabis und einer nachgewiesenen THC Konzentration von mehr als 1,0 ng/ml im Blut eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Regelfall rechtmäßig ist.

Was ist daran neu?

Eigentlich nichts. Diese Auffassung wurde schon durch mehrere Verwaltungsgerichte bestätigt und ist seit Jahren die gängige Praxis in Deutschland. In ganz Deutschland? Nein, es gibt da so ein kleines Dorf namens Bayern, wo das bisher anders gehandhabt wurde.

Bayern

Gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in Bayern war, dass ab einem Wert von 1,0 ng/ml im Blut zunächst nur eine medizinisch- psychologische Untersuchung anzuordnen war. Erst bei Werten von mehr als 2,0 ng/ml durfte die Fahrerlaubnis direkt entzogen werden.

Was ändert sich in der Praxis?

Wer beim Fahren mit einer THC Konzentration von 1,0 ng/ml und unter 2,0 ng/ml Blut erwischt wurde und gelegentlicher Konsument war, musste sich bis dato in Bayern nur einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen.

Die Führerscheinstelle meldete sich meist nach zwei bis drei Monaten und verlangte die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Dieses galt es in der Regel innerhalb von vier bis sechs Wochen zu erbringen. Das Führen eines Kraftfahrzeuges war weiterhin erlaubt.

Trugschluss: 6 – 12monatige Abstinenz als Voraussetzung für eine positive Begutachtung.

Grundsätzliche Voraussetzung für eine positive Begutachtung ist in der Praxis eine nachgewiesene Abstinenz von sechs bis zu zwölf Monaten. Wer nun nach zwei Monaten von der Führerscheinstelle das Angebot bekam, sich „nur“ einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen zu müssen, stand vor dem konkreten Problem, dass diese sowieso nicht „bestanden“ werden konnte, denn es fehlte der Abstinenznachweis. Selbst Haaranalysen, mit denen rückwirkend das Konsumverhalten belegt werden konnte, halfen nicht weiter, denn derjenige, der vor zwei Monaten in eine Verkehrskontrolle geraten ist, kann schlecht sechs Monate Abstinenz oder mehr nachweisen. Deshalb kam es zu negativen Begutachtungen und der Entziehung der Fahrerlaubnis. In diesen Fällen wurde von dem „sog. bezahlten Führerscheinentzug“ gesprochen. Damit ist der Fall gemeint, bei dem sich der Betroffene für teures Geld zu einer MPU anmeldet, die er aber mangels Abstinenznachweis sowieso nicht bestehen kann.

Vorteil der alten Rechtsprechung war, dass soweit die Führerscheinstelle eine medizinisch –psychologische Untersuchung erst nach 5 Monaten nach dem Vorfall forderte und eine sechsmonatige Abstinenz als ausreichend erachtet wurde, der Betroffene ohne die Kosten des Neuerteilungsverfahrens und ohne jemals zu „Fuß“ gegangen zu sein, im Erhalt seiner Fahrerlaubnis bleiben konnte. Zudem konnte der Betroffene ein wenig Zeit gewinnen, denn die Führerscheinstelle gibt in der Regel eine Frist von ca. 4 Wochen zur Erbringung einer MPU. Durch die Ausreizung dieser Beibringungsfrist des Gutachtens blieb er ein wenig länger im Besitz der Fahrerlaubnis. War er in dieser Zeit abstinent, so konnte er sich diesen Zeitraum auf die für die medizinisch-psychologische Untersuchung erforderliche Abstinenz anrechnen lassen. Im Ergebnis bedeutete dies, dass er in der Regel zwei Monate weniger zu Fuß gehen musste als derjenige, dem die Fahrerlaubnis direkt entzogen wurde.

Anzumerken ist außerdem noch, dass die Führerscheinstelle nicht verpflichtet ist, sofort zu entziehen. Ein MPU kann weiterhin – deutschlandweit- seitens der Führerscheinstelle angeboten werden.

Zusammenfassung:

Soweit nicht der zuvor erläuterte Ausnahmefall greift, ändert sich für gelegentliche Cannabiskonsumenten durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nichts. Ganz im Gegenteil: es wird vielmehr dem „sog. bezahlten Führerscheinentzug“ entgegengewirkt, zu dem es kam, wenn der Führerschein wegen negativer Begutachtung entzogen wurde.

Das Kernproblem ist die gesetzte Grenze von 1,0 ng/ml. In der Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts trat der Gutachter Volker Auwärter von der Freiburger Rechtsmedizin auf, der es als wissenschaftlich  gesichert ansieht, dass eine Fahrbeeinträchtigung erst ab einem Wert von 2-5 ng/ml vorliegt.  Leider folgte man dieser Meinung nicht. Auch die europaweit durchgeführte DRUID Studie  (Driving Under Influence of Drugs, Alcohol and Medicines) bestätigt diese Annahme. Die DRUID-Studie ist eine Meta-Analyse der europaweit existierenden Untersuchungen zu diesem Thema.

Zur Frage, wie lange die Rauschwirkung von THC anhält, ist man sich die gängige Rechtsprechung einig.

Ganz unwissenschaftlich kann auch die Grüne Hilfe dieses bestätigen. Uns erreichen regelmäßig Anfragen von Betroffenen, die am Freitag Cannabis konsumiert haben und montags auf dem Weg zur Arbeit immer noch mit einem Wert von mehr als 1,0 ng/ml angehalten werden. Obwohl die Wissenschaft sich hier einig ist, dass diese Leute nicht mehr berauscht sein können, werden sie aber so behandelt und verlieren in der Regel ihre Fahrerlaubnis.

D.h. es bleibt weiter abzuwarten, ob der 1 ng/ml Grenzwert irgendwann mal abgeschafft wird.

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