BZ-Interviev mit Marion Caspers-Merk: Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen führt zu falschen Fragen
„Wir müssen Kinder stark machen“
FREIBURG. Die Lörracher SPD-Bundestagsabgeordnete Marion Caspers-Merk
ist neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Franz Schmider befragte
sie nach den Schwerpunkten ihrer künftigen Arbeit.
BZ: Christa Nickels, ihre Vorgängerin, hat ihre jährliche Bilanz nicht mehr Drogen-, sondern Suchtbericht genannt, was auch einen Wechsel signalisierte. Wird das bei Ihnen genau so sein?
Caspers-Merk: Ja, das wird so bleiben. Weil wir den Begriff Sucht breiter
gefasst haben. Es war ja bereits eine politische
Entscheidung, die Stelle des Drogenbeauftragten vom Innenministerium
ins Gesundheitsministerium zu verlagern. Denn Sucht ist
eine Krankheit, unabhängig vom Stoff.
BZ: Politischen Konfliktstoff birgt aber vor vor allem das Thema illegale Drogen.
Caspers-Merk: Das kann man so nicht sagen, denken Sie an die Debatte
um die Absenkung der Promillegrenze im
Straßenverkehr. Da gibt es starke Interessengruppen.
BZ: Ist beim Thema Alkohol mit weiteren Verschärfungen zu rechnen?
Caspers-Merk: Das Parlament hat die Höchstgrenze gerade erst auf
0,5 Promille gesenkt. Meine Aufgabe verstehe ich so, dass
ich über die Grenzen der Ressorts hinweg tätig sein werde,
sei es mit dem Arbeitsminister beim Thema Sucht am Arbeitsplatz,
mit dem Verkehrsminister oder auch mit dem Aussiedlerbeauftragten.
Denn in der Statistik des vergangenen Jahres fällt der
überdurchschnittliche Anteil jugendliche Aussiedler unter den
Drogentoten auf.
BZ: Wird es von Ihnen auch eine neue Initiative zur Legalisierung so genannter weicher Drogen wie Haschisch geben?
Caspers-Merk: Nein. Mein Ansatz ist ein anderer, ich will stärker
bei der Prävention ansetzen, sie verbessern. Wir müssen Kinder
stark machen, damit sie nicht in Lebensphasen, in denen sie Enttäuschungen
erleben müssen, zur Flasche, zur Zigarette, zu Pillen oder sonst etwas
greifen. Eine Diskussion um das Thema Legalisierung setzt da falsche Akzente,
denn es suggeriert:
Dieser oder jener Stoff ist im Grunde harmlos, den kannst du nehmen.
Das aber ist falsch, das Suchtproblem bleibt. Und 42'000 Alkoholtote im
vergangenen Jahr beweisen, wie falsch die Konzentration auf die Fragestellung
legal-illegal ist. Nur einen Punkt wollen wir aufgreifen, das ist die Zulassung
von Cannabis als Medikament. Das ist einer der offenen Punkte, die ich
übernommen habe.
BZ: Und die anderen?
Caspers-Merk: Die Frage der Zugänglichkeit von Zigarettenautomaten
für Jugendliche unter 16 Jahren, die wir mit Chipkarten
einschränken wollen. Dann will ich die Prävention verbessern,
sie muss weg vom erhobenen Zeigefinger, muss stärker mit lokalen Aktionen
verbunden werden, wie es derzeit mit dem Projekt „Life“ im Landkreis Lörrach
geschieht. Ich könnte mir auch die Gründung einer Präventionsstiftung
vorstellen, die solche Projekte unterstützt und an der sich auch die
Wirtschaft beteiligt. Wir müssen sehr genau die Fragen beantworten,
die sich aus dem Anstieg der Zahl der Drogentoten ergeben. Wir haben festgestellt,
dass Methadon aus den Substitutionsprogrammen auf den grauen Markt wandert.
Wir müssen also die Kontrolle verbessern, vielleicht mit Hilfe eines
Substitutionsregisters. Wir müssen auch Antworten finden auf die Zunahme
von Partydrogen und die Verbreitung von Crack. Und wir überlegen uns,
wie wir Jugendliche besser vor Alkohol und Tabak schützen können.
Da gibt es eine europäische Initiative der schwedischen Ratspräsidentschaft.
BZ: Die drogenpolitische Diskussion war lange Zeit stark mit Ideologie belastet.
Caspers-Merk: Ja, und es ist wichtig, dass wir diese ideologischen Gräben
überwinden. Man muss aber auch sehen: Vieles fällt
in die Kompetenz der Länder. Und da bin ich gespannt, wie sich
Baden-Württemberg, das sonst immer so kommunalfreundlich
gibt, verhält. Bisher hat es die Bemühungen von unten um
neue Wege, etwa in Lörrach und Karlsruhe, um Konsumräume und
Heroinversuche, stets blockiert.