Gelungener Gedenktag für verstorbene DrogengebraucherInnen in Frankfurt

Veröffentlicht am 4. August 2009
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Frankfurt a.M. Unter dem Motto „Menschenwürde in der Drogenpolitik- Ohne Legalisierung geht es nicht“ organisierte JES Frankfurt in Zusammenarbeit mit der Grünen Hilfe Hessen und der linken Landesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik Hessen am 21.Juli den Gedenk-, Protest und Aktionstag für verstorbene DrogengebraucherInnen.

Gedenktag für verstorbene DrogengebraucherInnen in Frankfurt am Main

Am Kaisersack, vor den drogenpolitischen Infoständen von JES, Grüne Hilfe und Die Linke waren 33 Holzkreuze mit 33 Paar Schuhe mit den Namen der 33 im Jahre 2008 in Frankfurt verstorbenen DrogengebraucherInnen ausgelegt. Erinnerungsbotschaften wurden für die Verstorbenen geschrieben. Eine Gedenkaktion, um den den Verstorbenen Gesicht zu geben. Viele PassantInnen nutzen bei strahlender Sonne die Gelegenheit zu drogenpolitischer
Information und Diskussion. Ein öffentliches Pressegespräch mit JournalistInnen von FR und FAZ wurde von Christian Holl (YES), Carsten Labudda (Die Linke.) und Jo Biermanski (Grüne Hilfe) geführt.

Infostand Gedenktag für verstorbene DrogengebraucherInnen in Frankfurt am Main

Anschließend führte ein Protest- und Gedenkzug von der Kaiserstraße zur Gedenkplatte für verstorbene DrogengebraucherInnen zum „Lesegarten“ in der Taunusanlage. Ca. 45 TeilnehmerInnen zogen mit Transparenten ( Menschenwürde in der Drogenpolitik- Ohne Legalisierung geht es nicht, Prohibition tötet- Weg mit dem BtMG, Abkehr vom Dogma unbedingter Abstinenz, Für rationale und humane Drogenpolitik,…) und Sprechchören, wie „Hpp hopp hopp- BtMG Stopp“, „Leute lasst das Glotzen sein- zieht Euch ‚mal ein Tütchen rein“, „Legal- illegal- scheißegal“ durch die Frankfurter Innenstadt.

Im „Lesegarten“ fanden sich dann ca. 60 Personen zur Abschlussveranstaltung zusammen.

Zunächst beklagte die grüne Frankfurter Gesundheitsdezernentin Dr. Manuela Rottmann, dass noch immer zu viele Menschen an den Folgen von Sucht sterben. Sie bedankte sich bei JES Frankfurt, dass der Gedenktag Betroffenen eine Stimme gebe und erinnerte sich, dass die Einweihung der Gedenkplatte 2006 eine ihrer ersten Aktivitäten als Gesundheitsdezernentin gewesen sei. Habe es 1998 noch 148 Drogentote in Frankfurt gegeben, sei diese Zahl im letzten Jahr auf 33 gesunken. Hier leisteten akzeptable Angebote für die offene Drogenszene einen wichtigen Beitrag. So würden die Konsumräume in Frankfurt jährlich von 4500 Menschen aufgesucht. Als wichtige Forderungen nannte sie die Verstärkung suchtpräventiver Arbeit für junge Menschen und die Verstärkung der Suchthilfe. Sie begrüßte den Beschluss des Bundestages zur Diamorphin-Abgabe, der die Weiterführung des erfolgreichen „Frankfurter Weges“ ermögliche. Es habe bereits zu viele gegeben, die auch Opfer einer menschenverachtenden Drogenpolitik gewesen seien.

Anschließend forderte Jo Biermanski als Sprecher der Grünen Hilfe Hessen die legale Druckchecking-Angebote zur Verringerung gesundheitlicher Risiken von DrogenkonsumentInnen. Wenn dies von der herrschenden Politik und der Bundesdrogenbeauftragten Sabine Bätzing abgelehnt werde, sei diese Politik in vielen Fällen am Drogentod in Folge von Verunreinigungen und Überdosierung „mitschuldig“. Er beklagte, dass auch verunreinigtes Cannabis im Umlauf sei, u.a. mit Blei, was zu Vergiftungen führen könne. Auch DrogengebraucherInnen hätten ein Recht auf VerbraucherInnen-Schutz!

Er schilderte den Fall des Tübinger Menschenrechtler’s Jürgen Hahnel, der nach Bewährungswiderruf aufgrund eines Cannabis-Strafverfahrens am 6.Juli verhaftet wurde und in die JVA Rottenburg verbracht wurde. Jürgen Hahnel ist seitdem im Hungerstreik gegen menschenverachtende Drogenpolitik. Der Menschenrechtler will mit seinem Widerstand Öffentlichkeit für die Misstände der Prohibition bewirken und sieht die Betäubungsmittelgesetze auch als wichtiges Thema für den Bundestagswahlkampf. Unterschriften für seine Freilassung und gegen menschenverachtende Drogenpolitik im Allgemeinen wurden gesammelt. (www.sichtbarewelt.de)
Als Sprecher die linken Bundesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik schilderte Carsten Labudda den sogenannten „Drogentod“ einer Heroin-Konsumentin, deren bürgerliches Umfeld nicht mit dem Strafverfahren wg. Heroin habe umgehen können. Die Mutter habe sie aus der Wohnung geworfen, sie habe den Arbeitsplatz verloren und Mandy habe wie im Schock eigenständig einen medikamentösen Turboentzug durchführen wollen. Dies sei tödlich geendet. Tabuisierung und Illegalisierung hätten ihren Beitrag zum Tod geleistet. Notwendig sei hier eine Normalisierung im Umgang mit dem Thema Drogen. Auch für DrogengebraucherInnen müssten Menschenrechte gelten.
Carmen Thiele von der linken Fraktion im Frankfurter Römer erläuterte, dass viele noch leben könnten, wenn es nicht an richtigen Angeboten, richtigen Freunden und richtiger Unterstützung gemangelt hätte. Sie beklagte dass betreffs illegalisierter Drogen 80% der staatlichen Ausgaben zur Bekämpfung eingesetzt werden. Dementsprechend kommen Prävention, Suchthilfe und akzeptierende Angebote zu kurz. Die willkürliche Unterscheidung in legale und illegale Substanzen sei häufig mitverantwortlich für den gesellschaftlichen Abstieg: Sozial sei, was Würde schaffe! Beim Recht auf Rausch dürfe die Würde nicht verloren gehen. Hierzu habe „Die Linke“ gute Ansätze.

Christian Holl (JES Frankfurt) erläuterte, dass die Zahl der Drogentoten in Frankfurt von 1449 (1970) auf 33 (2008) deutlich gesunken sei. Die Umstände des illegalisierten Drogenkonsums aber seien verantwortlich für tausendfachen „Drogentod“. Die Grenzen von legal zu illegal seien willkürlich. Das internationale Hanfverbot aus wirtschaftlichen Gründen nannte er hier als Beispiel. Er schilderte die Forderung von Dr. Stober (FH Frankfurt) nach einer Effizienzberechnung der Drogenbekämfung durch das Betäubungsmittelgesetz. Bereits 2007 habe dieser die fehlende Gesamtrechnung der Kosten für Justiz, Polizei und Vollzug angemahnt und die Effizienz dieser Bekämfung bezweifelt. Notwendig sei hier die Entwicklung von neuen Konzepten für Einrichtungen und Hilfsangebote der Drogenhilfe. Christian Holl begrüßte, dass sowohl Hanf- als auch AktivistInnen anderer Drogenangebote den Gedenktag für den gemeinsamen Protest für eine humane + rationale Drogenpolitik nutzten. Erfreut zeigte er sich hier im Besonderen über die gute Zusammenarbeit von JES, Grüne Hilfe und Die Linke.

Die Drogengebraucherorganisation INPUD berichtete Weltweit über den Gedenktag.

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